Im Kampf gegen Zwangsprostitution vereint

Delhi-Reise wird zur besonderen Teambuilding-Maßnahme

In Zeiten des Fachkräftemangels und anhaltender Vollbeschäftigung sind Momente der Mitarbeitermotivation gefragt. Aber wie gelingt es, Mitarbeiter nicht nur zu motivieren, sondern mit ihnen auch ethische Prinzipien wie soziale Verantwortung zu teilen? Der Unternehmer Harald Röder gründete 2001 seine eigene Stiftung pro vita. Was er für diese Stiftung in den letzten Jahren alles bewirkte, ist seinen Mitarbeitern bislang nur aus den Medien oder Erzählungen bekannt. Deshalb lud er jetzt sein 15-köpfiges Team zu einer Erkundungsreise nach Indien. Dort unterstützt pro vita die Rescue Foundation, die junge Mädchen aus der Zwangsprostitution befreit und sie wieder ins Leben zurückführt.

„Betroffen, berührt, den Tränen nahe, einfach sprachlos.“ Das sind die Vokabeln, die fallen, wenn man Harald Röder fragt, wie die Reaktion seiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren, als sie den Mädchen gegenübertraten, die teils noch vor wenigen Wochen in Bordellen in Indiens Metropolen als Zwangsprostituierte täglich 35 bis 40 Freier „bedienen“ mussten. „Wir könnten viel über Teambuilding reden, über das, was landauf, landab getan wird, um eine tolle Mannschaft zu formen. Ich weiß schon seit längerem um mein tolles Team und durfte bei dieser Reise etwas ganz anderes im Team erleben: Wie diese Begegnungen die Empathie jedes Einzelnen freisetzen.“

Röder sagt dies mit Stolz, weil er zugleich weiß, wie eminent wichtig genau dieses Empfinden-Können eines jeden einzelnen Mitarbeiters für dessen Alltagsleben, wie auch für dessen Aufgaben im Unternehmen ist. Harald Röder leitet die Deutsche Beratungsgesellschaft für Zeitwertkonten, kurz DBZWK, mit Sitz in Lorch. Das Unternehmen hat sich zum Ziel gesetzt, für mittelständische Betriebe und Organisationen individuelle Zeitwertkonten-Modelle zu erarbeiten. Sie dienen dazu, den Mitarbeitern mehr Flexibilität und Freiheit über Lebensarbeitszeitmodelle zu ermöglichen. Auszeiten, vorgezogene Ruhestände oder Verlängerungen von Erziehungszeiten – alles das wird durch Zeitwertkonten möglich.

Soziale Verantwortung ist der Schlüssel

Doch was hat das mit Röders Stiftung pro vita zu tun? „Ich bin der festen Überzeugung, dass Unternehmer und Unternehmen eine soziale Verantwortung haben, die weit über die eigene Belegschaft hinausgeht. Deshalb habe ich als Unternehmer vor über 20 Jahren beschlossen, anstatt Geld für Kunden-Weihnachtsgeschenke auszugeben, das Geld lieber in sinnvolle Projekte in der dritten Welt zu investieren.“ Harald Röder war damals 32 Jahre alt und unterstützte die Belgiern Marie-France Botte. Auch sie befreite Kinder aus Bordellen und sexueller Sklaverei.

Hier schließt sich der Kreis. „Geld darf in diese Länder nicht als Bargeld fließen, sonst versickert es in korrupten Kanälen“, weiß Röder. Deshalb gründete er 2001 „pro vita – Stiftung zur Bekämpfung weltweiter Armut und zur Förderung menschenwürdiger Lebensbedingungen“ (www.stiftung-provita.de). Mit ihr verfügt er über ein Netzwerk, das ihm versichert, dass die gespendeten Gelder auch ihre Wirkung an Ort und Stelle erreichen. „Erst im Dezember wurde in Delhi auch mit Geldern aus unserer Stiftung ein neues Schutzzentrum für geschändete junge Mädchen eröffnet.“

In der Satzung von der Stiftung pro vita steht, dass sie Menschen, die unter Ausgrenzung und Armut leiden, so unterstützen will, dass sie nicht langfristig auf fremde Hilfe angewiesen sind. Sie sollen Startchancen für ein Leben auf eigenen Füßen und in Würde bekommen. „Man muss es selbst sehen, was in Städten wie Delhi, Pune oder Mumbai tagtäglich passiert. Und deshalb habe ich auch den Dokumentarfilm „Verschleppt. Verkauft. Gequält.“ gemacht.“ Röder schrieb nicht nur das Buch zum Film und produzierte diesen. Er stand selbst hinter der Kamera und wurde somit dokumentarischer Zeuge, wie bei Polizeirazzien Bordelle in Delhi, Pune oder Mumbai ausgehoben und Mädchen befreit wurden – das jüngste gerade mal acht Jahre alt.

Kein gewöhnliches Touristen-Programm

Diese Art eines fünftägigen „Betriebsausfluges“ werden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der DBZWK nicht mehr vergessen. „Alle hatten sich spontan bereit erklärt, die Reise mit anzutreten, alle wollten sie sich selbst ein Bild davon machen, welch unbeschreibliches Leid Menschen anderen Menschen, in diesem Falle jungen Mädchen, antun können“, erzählt Röder. „Deshalb haben wir für unsere Mitarbeiter ein Delhi-Programm zusammengestellt, das ein Tourist normalerweise nie erleben würde.“ Dem Besuch eines mondänen Drehrestaurants stand jener einer riesigen Hotelwäscherei gegenüber, in der Inder für einen Hungerlohn die Handtücher Tausender Hotelgäste unter schwerstem körperlichem Einsatz waschen müssen. „In Delhi liegt Luxus und Armut direkt beieinander. Diese Gegensätze zu zeigen, sie zu fühlen und zu verstehen, dass man soziale Verantwortung übernehmen muss, das war mir wichtig.“

Und genau das scheint ihm gelungen. Denn Hauptziel der Reise war, das im Dezember letzten Jahres von der Rescue Foundation in Dehli neu in Betrieb genommene Schutzzentrum zu besuchen, die Präsidentin der Rescue Foundation, Triveni Acharya, persönlich zu treffen und ihr eine weitere finanzielle Unterstützung durch die Stiftung pro vita zuzusichern. So spendete die DBZWK über die Stiftung pro vita einen Betrag von 10.000 Euro. Da war es für das komplett mitgereiste 15-köpfige DBZWK-Team eine Ehre, „ihrem Chef“ zu dessen 57. Geburtstag, den er während der Reise feierte, eine besondere Überraschung zu bereiten: Sie schenkten ihm eine Spende an seine Stiftung über 1.000 Euro.

Soziale Verantwortung sei für ihn, so Röder, nicht irgendeine Floskel, sondern tägliche Verpflichtung. Das hätten durch diese Reise auch seine Mitarbeiter erfahren. „Sie konnten den geschundenen Mädchen selbst gegenüberstehen und miterleben, wie sie in diesem Schutzzentrum durch Therapien und unsere finanzielle Unterstützung wieder Hoffnung auf ein normales Leben schöpfen können.“  

Hintergrund:

Seit 1997 kämpft die Rescue Foundation in Indien gegen Menschenhandel und Zwangsprostitution. Sie hilft mit ganz gezielten Rettungseinsätzen, bei denen unschuldige Opfer befreit und im Anschluss medizinisch betreut und psychologisch begleitet werden. Insgesamt wurden auf diese Weise schon über 5.400 Mädchen gerettet. Die Stiftung pro vita konnte seit ihrer Gründung im Jahre 2001 Sozialprojekte mit einem Volumen von rund 500.000 Euro unterstützen. Seit 2017 fließt ein Teil der Gelder an die Rescue Foundation.

 

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