Klinik der Bürger: Das Josephs-Hospital

Der Königsblaue im christlichen Krankenhaus

Warum man im Josephs-Hospital in Warendorf enttäuscht ist von der Gesundheitspolitik.
Und wie Klinikleitung und Betriebsrat trotzdem gemeinsam das Beste aus der aktuellen Situation machen.

62.271 Plätze fasst die Veltins-Arena in Gelsenkirchen. Auf einem davon sitzt regelmäßig Peter Goerdeler. Das Stadion ist die Heimat des FC Schalke 04. Goerdeler ist Vorstandsvorsitzender des Josephs-Hospitals in Warendorf. Über die A 43 und die A 2 sind es exakt 102 Autokilometer vom Klinikparkplatz bis zur Arena. Wenn alles glatt läuft, eine gute Stunde Fahrt. Für Goerdeler ein Weg, den er nur allzu gerne auf sich nimmt. Denn er ist Königsblauer – durch und durch. Fußball ist seine Leidenschaft. „Ich bin glühender Schalke-Anhänger“, gibt er unumwunden zu. Oft zieht es ihn daher ins Stadion. Dort, zwischen Stadion-Wurst und Fan-Gesängen, fühlt er sich wohl. Dort feiert er, wenn Schalke gewinnt. Dort leidet er, wenn die Knappen verlieren. Was Schalke 04 auszeichnet und worum viele Gegner der 1. Fußballbundesliga den Verein beneiden, ist seine Verwurzelung in der Region – und die bedingungslose Liebe seiner Fans. Königsblau ist keine Modeerscheinung. Königsblau ist Passion. Und genau hierin liegt auch die Verbindung, die davon zeugt, dass Peter Goerdeler genau der Richtige für die Leitung des Josephs-Hospitals in Warendorf ist. Denn das christliche Krankenhaus gehört den Bürgern. „Es ist eine Stiftung aus der Bürgerschaft“, erklärt Goerdeler. „Daher gibt es eine starke Verwurzelung im Ort und bei den Mitarbeitern.“ Genau wie beim FC Schalke 04. Klinikintern gehe es familiär zu, so Goerdeler. „Jeder kennt jeden. Es herrscht ein großer Zusammenhalt.“ Hinzu komme eine echte, gute medizinische Qualität. „Unser Haus ist geprägt von dem Wunsch am Ort wahrgenommen zu werden“, sagt auch Betriebsratsvorsitzender Kaspar Kottmann. „Wir wollen den Bedürfnissen der Bevölkerung gerecht werden, sind Dienstleister für den Ort und die Region.“ Und dass der Wunsch durchaus in Erfüllung gehe, zeige sich beispielsweise auch am großen Interesse, auf das Veranstaltungen, wie die regelmäßig stattfindenden Tage
der offenen Tür, stießen.

„Jeder kennt jeden. Es herrscht ein großer Zusammenhalt.”
Peter Goerdeler

Das Josephs-Hospital ist immer da. Tag und Nacht. Und es steht jedem offen. Das betont auch Peter Goerdeler: „Wir sind ein christliches Krankenhaus, aber konfessionsungebunden.“ Die Klinik orientiere sich schlichtweg an christlichen Grundwerten. „Auch unser Leitbild zeigt diese Grundfesten“, ergänzt Kaspar Kottmann. Die Einführung eines Zeitwertkontenmodells für die Mitarbeiter des Josephs-Hospitals passt da perfekt ins Bild. Zwei Gründe sprechen für Peter Goerdeler besonders dafür: Zum einen der  Fachkräftemangel. „Wir stehen da auch im Wettbewerb, müssen uns abheben“, sagt er. Zum anderen werde die Work-Life-Balance immer wichtiger. „Junge Generationen leben dieses Thema – und wollen das auch“, betont Goerdeler.

 

Lebensarbeitszeitkonten könnten dabei helfen. Sie seien „ein Modell für die Zukunft“. Kaspar Kottmann schlägt in dieselbe Kerbe. „Wir sind eine Einrichtung des Gesundheitswesens“, sagt er. Das gelte auch für die Mitarbeiter, deren Gesundheit ebenfalls gefördert werden müsse.  „Bedürfnisorientiert“, wie Kottmann sagt. In Zeiten, in denen es keinen Arbeitskräfteüberschuss mehr gebe, sondern Mangel, seien vielfältige Angebote wichtig. Das Zeitwertkontenmodell sei eines davon.

Peter Goerdeler ist dabei Wiederholungstäter. Schon bei seinem früheren Unternehmen führte er gemeinsam mit der Mitarbeitervertretung und der Deutschen Beratungsgesellschaft für Zeitwertkonten und Lebensarbeitszeitmodelle (DBZWK) ein entsprechendes Modell ein. „Für mich ist das einfach grundsätzlich wichtig. Um etwas zu tun. Um neue Mitarbeiter zu gewinnen. Um Mitarbeiter zu halten“, sagt er. Deshalb ging er auch als  Vorstandsvorsitzender des Josephs-Hospitals aktiv auf den Betriebsrat zu. „Und wir waren überrascht über die offensive Herangehensweise“, sagt Kaspar Kottmann und lacht.

„Wir waren überrascht über die offensive Herangehensweise.”
Kaspar Kottmann

Der Betriebsrat hörte sich das Ganze an und fand schnell Gefallen an Goerdelers Vorschlag. „Wir fanden das Modell spannend, haben uns aber natürlich auch direkt verschiedene Dinge davon erhofft“, sagt Kottmann. Als „bittersüß“ bezeichnet er jedoch die Zeitwertansprüche, die aus Überstunden entstünden. „Es ist gut, dass es möglich ist, Überstunden in ein Zeitwertkonto zu überführen“, sagt er. „Das Problem ist aber, dass wir das Thema nur symptomorientiert angehen.“ Ziel müsste die Vermeidung von Überstunden sein. „Die kurz- und mittelfristige Belastung der Kollegen bleibt bestehen.“ Kottmann betont, dass er das Modell für eine gute Sache halte, aber er mahnt auch, dass nicht vergessen werden dürfe, den Kontext zu betrachten.

Goerdeler pflichtet ihm bei und geht auf die Hauptursache der derzeitigen Schwierigkeiten im Klinik- und Pflegealltag ein: „Das Finanzierungssystem. Ganz allgemein.“ Die Möglichkeiten für Kliniken seien durch Vorgaben der Krankenkassen und der Bundesländer eingeschränkt. „Kurz gesagt: Die sind nicht so, wie wir uns das vorstellen.“ Mit den aktuellen Begebenheiten sei es schwierig junge Menschen für die Berufe im Krankenhaus zu begeistern. „Wir stehen hier ja auch in Konkurrenz zu anderen Branchen“, sagt Goerdeler. Auch Kottmann fordert die politisch Verantwortlichen zum Nachdenken auf: „Das Paradigma über allem lautet gerade: Wir haben zu viele Krankenhäuser in der Republik. Also werden immer mehr davon schließen.“ Es herrsche ein Spannungsverhältnis zwischen Wettbewerbsdruck und Fachkräftemangel. Das enge Korsett der Kostenträger tue sein Übriges. „Wir befinden uns in einer Planwirtschaft“.

„Es ist eine Mischung aus freier Marktwirtschaft und Planwirtschaft“, meint Peter Goerdeler. „Und ich teile die Ansicht der zu vielen Angebote in zu vielen Kliniken nicht“, betont er. „Das Einsparen von Krankenhäusern ist nicht zielführend. Aber über die geografische Verteilung lässt sich streiten.“ Von der Politik wünscht er sich vor allem eines: „Gute Leistung muss gut vergütet werden.“ Im Moment werde gute Qualität bestraft. „Von jedem Euro an Mehreinnahmen müssen wir 35 Cent direkt wieder zurückzahlen an die Krankenkassen.“ Hinzu käme, dass Investitionen durch die Länder nicht ausreichend finanziert würden.

Auch Kaspar Kottmann wünscht sich eine eindeutige Stärkung der Attraktivität der Berufe in Krankenhäusern – finanziell, vor allem in der Pflege, aber auch was die Work-Life-Balance angehe. Da sehe er im Moment eine ziemliche Schieflage. „Beruf ist heute nicht mehr nur Berufung“, sagt er.

Nach einem Wunsch an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) gefragt, müssen Goerdeler und Kottmann nicht lange überlegen: „Weniger Bürokratie“, sagt der Vorstandsvorsitzende. Die sorge nämlich für viele ungute Entwicklungen. Und sein Betriebsratsvorsitzender möchte, dass nicht nur mehr Geld fließe, sondern auch wieder Interesse an den Berufen im Krankenhaus und in der Pflege geweckt werde.

Das Josephs-Hospital arbeitet mit Angeboten, wie dem Lebensarbeitszeitmodell „Josephs+“, an der Steigerung seiner Arbeitgeberattraktivität. Betriebsratschef Kottmann: „Richtig interessant wird das aber erst in der Zukunft. Denn die Auszeiten, die teilnehmende Mitarbeiter nehmen wollen, werden kommen.“ Ob das funktioniere, hänge von der personellen Situation zu dem Zeitpunkt ab. Denn schließlich kämen die aktuellen Überstunden, die angespart würden, ja nicht von ungefähr. „Wenn wir da auch in Zukunft keine Luft haben, wird’s schwierig.“ Peter Goerdeler stellt aber auch die Vorteile des Modells heraus. So könnten beispielsweise Mitarbeiter, die auf Grund ihres voranschreitenden Alters nicht mehr so leistungsstark wären, damit im Unternehmen gehalten werden und zum Beispiel in Teilzeit weiterarbeiten. „Und wir profitieren von ihrem Erfahrungswissen.“

Kottmann und Goerdeler profitieren derweil auch von ihrem Vertrauensverhältnis. Das zeigt sich auch darin, dass nicht jeder sich selbst, sondern den jeweils anderen vorstellt. „Herr Kottmann ist langjähriger Betriebsratsvorsitzender“, sagt Goerdeler. „Ich schätze die Zusammenarbeit mit ihm sehr.“ Denn sie sei geprägt von Vertraulichkeit und Verlässlichkeit. Kottmann zeige viel Herzblut, wenn er sich für die Mitarbeiterinteressen einsetze. „Er fechtet einen Streit auch durch, hat aber stets das Wohl des Krankenhauses im Blick“, lobt Goerdeler den Betriebsratsvorsitzenden.

Und der tut es ihm gleich. „Herr Goerdeler ist klar und strukturiert, seine Aussagen sind belastbar, seine Kommunikationsstrukturen gut“, sagt er. Auch bei strittigen Themen sei die Zusammenarbeit zwischen Betriebsrat und Vorstandsvorsitzendem professionell und gut. „Wir haben nicht bei allem die gleiche Meinung – aber auch das ist problemlos möglich.“ Bei Goerdeler stehe die Sachlichkeit im Zentrum. So könnten auch Differenzen angegangen und professionell bearbeitet werden. „Es ist ein Geben und Nehmen. Das prägt auch unsere Zusammenarbeit“, fasst Kottmann zusammen, betont jedoch auch, dass für ihn der gesamte Betriebsrat als Gremium wichtig sei. „Nicht der Vorsitzende entscheidet, sondern alle elf auf Augenhöhe.“

„Beruf ist heute nicht mehr nur Berufung.”
Kaspar Kottmann

Seit 2008 ist Kaspar Kottmann Betriebsratsvorsitzender des Josephs-Hospitals. „Die Jahre haben mich auch verändert“, sagt er. So sei er auch selbst professioneller und sachlicher geworden und habe heute mehr Durchsetzungsvermögen. Auch ein gewisser kritischer Selbstblick gehöre dazu: „Man muss sein Handeln reflektieren“, sagt er. Peter Goerdeler steht seit vier Jahren an der Spitze des Josephs-Hospitals. Mit hoher Antriebskraft, Umsetzungs-
und Veränderungswillen treibt er seine Projekte zum Wohl der Klinik seither voran. Projekte wie das Lebensarbeitszeitkonto, das er auch anderen Unternehmen gerne empfiehlt. „Dass es heute ein wichtiges Instrument ist, ist Beweis genug dafür, dass es sinnvoll ist“, sagt er. Das Josephs-Hospital habe in wenigen Wochen viele Mitarbeiter gefunden, die mitmachen. Das Argument schlechthin? Das liegt für Goerdeler sowieso auf der Hand: „Bewerber fragen danach!“.

Und hier schließt sich auch wieder der Kreis zum FC Schalke 04 und dem Fußball. Mitspieler zu binden, ist das eine. Neue Mitspieler zu finden, das andere. Gutes Scouting allein reicht schon lange nicht mehr aus. Wer die besten Bewerber von sich überzeugen will, muss ihnen mehr bieten als der Wettbewerb. Und er muss seine Passion leben – sonst platzt jeder Transfer. Der Arbeitsmarkt im Klinik- und Pflegebereich ist heiß umkämpft. Hier gilt, wie im Fußball, tagein, tagaus: Nachdem Spiel ist vor dem Spiel. Auch dann, wenn es länger als neunzig Minuten dauert.

INFO
Das Josephs-Hospital in Warendorf
Am 16. November 1843 wurde das Josephs-Hospital zu Warendorf, eine Stiftung des Tuchhändlers Franz-Joseph Zumloh, den Warendorfer Bürgern übergeben. Zunächst wurde es mit Unterkunftsmöglichkeiten für dreißig Kranke eröffnet. In den folgenden Jahrzehnten wurde es entsprechend der Bevölkerungsentwicklung und der Anforderungen der jeweiligen Zeit sowohl baulich als auch medizinisch-technisch stetig weiterentwickelt. In seiner nunmehr über 175-jährigen Geschichte ist daraus ein modernes und leistungsfähiges Gesundheitszentrum für die Menschen in der nordrhein-westfälischen Region Warendorf entstanden. Als selbstständiges Krankenhaus steht das Josephs-Hospital bis heute in der Trägerschaft der Stiftung.

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